Es fühlt sich komisch an. Wenn mich jemand fragt, wie alt ich bin, antworte ich seit etwas mehr als einem Monat: „30“. Nun war und ist das für mich nie ein Alter gewesen, das Heulkrämpfe und Sinnkrisen rechtfertigt. Im Gegenteil, ich habe mich darauf gefreut. Dennoch, es fühlt sich komisch an. 30. Das klingt so erwachsen. Nach dem Ende der Suche. Nach Angekommen sein. Nach Kindern, Familie, Hausbau und wissen, was man will. So wäre ich manchmal gerne, aber mit meiner Realität hat das nicht viel gemein. Ich fühle mich noch nicht endgültig angekommen, und bin froh darüber. Der Gedanke, jetzt schon festzulegen, was ich mit dem – hoffentlich langen – Rest meines Lebens machen will, sorgt bei mir für Schnappatmung und Schreckpustel. Ich genieße es, morgens aufzuwachen und zu wissen, dass mein Tag zwar geplant oder organisiert ist, aber nicht so routiniert, dass mich nicht doch noch Überraschungen erwarten könnten.
Vielleicht fühlt es sich auch deshalb komisch an, von mir und der 30 in einem Satz zu reden, weil es mir bewusst macht, wie sehr sich mein Leben in den vergangenen Jahren trotzdem verändert hat. Ich wohne inzwischen seit fast fünf Jahren in der selben Stadt, arbeite (in wechselnden Beschäftigungsverhältnissen) für die selben Arbeitgeber, liebe ein und den selben Mann immer noch heiß und innig. Vielleicht fühlt es deshalb komisch an, weil ich still und heimlich längst zur Ruhe gekommen bin, es mir nur noch nicht bewusst gemacht habe.
Stimmt schon, mein Alltag ist alles andere als still und gleichförmig. Ich arbeite ganze Wochen und Nächte durch, bin mal montags in Kassel, dienstags in München, mittwochs in Sömmerda, donnerstags in Bad Langensalza und freitags in Berlin. Ich renne ständig mit mehreren Persönlichkeiten durch die Gegend, weil ich die DJV-Landesvorsitzende von der Journalistin, der PR-Tante, der Trainerin und mir als einfach-nur-ich trenne. Ich genieße mein schnelles, buntes, überraschendes Leben. Es ist wie ein Regal voller Wundertüten. Schon als Kind reichte mir eine nicht, ich wollte immer alle aufmachen, weil in der nächsten immer noch bessere Überraschung warten könnten. Das war ein Grund, Journalistin zu werden: Sich nicht festlegen zu müssen. Jeden Tag einen anderen Beruf ergreifen zu können (wenn auch nur als Zuschauer), von allem ein bisschen lernen, erfahren, sehen, hören, fühlen können. So bin ich immer noch. Vermutlich werde ich immer so sein, und mein Sarg wird eines Tages eine Collage verschiedener Farben, Materialen und Designs sein, weil ich mich nicht festlegen kann. Aber jetzt bin ich 30, und ich stelle fest, das schnell und bunt manchmal auch anstrengend und hektisch sein können, und dass es plötzlich ganz schön ist, spießig zu sein.
Irgendwann in den vergangenen Jahren sind plötzlich Pole im Hintergrund meines Lebens entstanden, die mir Ruhestätten geworden sind. Dass ich tatsächlich 30 bin, merke ich auch daran, dass ich diese Pole inzwischen brauche.
Ich gehe wandern und habe jede Menge Spaß dabei – vor fünf Jahren undenkbar. Meinen Samstagabend verbringe ich mit dem Versuch, mich an alle Oberhäupter der EU-Staaten zu erinnern – vor fünf Jahren der Inbegriff der Langeweile. Ich gehe gerne mit Freundinnen einen Cocktail trinken und quatschen, ohne vorher oder nachher eine Riesenparty aufzutun – na gut, DAS war mir vor fünf Jahren schon lieber, ich HASSE laute, überfüllte Clubs, in denen man den Barkeeper anschreien muss, um an ein simples Bier zu kommen. Ich gehe zweimal die Woche laufen (und vielleicht irgendwann auch mal ohne Gehpausen) – vor fünf Jahren hat man mich nicht mal zu einem Spaziergang überreden können. Ich bin 30 geworden, und vielleicht auch ein bisschen erwachsen. Vor allem aber bin ich dankbar. Für mein Leben. Für meine Freiheit. Für meine Freunde. Für meine Familie.
Und für zwei wirklich denkwürdige Partys – eine in Familie, die so entspannt war, dass dabei kaum ein Foto entstanden ist. Und für die mit Freunden, die die letzten 30 Jahre in einer kleinen Kirche bei Erfurt versammelt haben. Menschen, die mir viel bedeuten, die miteinander aber sonst null Berührungspunkte haben, haben mit mir gefeiert. Freunde, die eigentlich Gäste waren, haben Bar und Küche geschmissen, damit ich einfach nur Gastgeberin sein (und umwerfende Geschenke auspacken) konnte. Dafür: Danke schön! Und damit die Erinnerung daran, wie junge und schön wie alle mal waren, bis zum 40. anhalten: Hier sind die schönsten Fotos der Party. Mit dem allergrößten Dank an Michael Schlutter und Stephanie Weltmann.
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