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„Sie verdienen ja fast so viel wie ein Redakteur!“

Foto: Foto: Petra Bork  / pixelio.de

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Bei der Recherche zu einer Geschichte über Presserabatte stieß ich immer wieder auf die unterschiedlichen Sichtweisen von festangestellten Journalisten und freien. Einige Freie gaben an, dass Rabatte ihnen hin und wieder geholfen hätten, ihre Arbeit als Beruf ausüben zu können und nicht nur als Berufung, die außer einem guten Gefühl nichts einbringt. Wirklich verwunderlich ist, dass diese Aussagen bei Kunden immer wieder auf Unverständnis stoßen – egal ob es sich dabei um mittelständische PR-Auftraggeber oder große Tageszeitungen handelt. Wenn ein freier Journalist mit einigen Jahren Berufserfahrung, Volontariat und Studium sich bei Honorarverhandlungen anhören muss, dass er ja nun „fast so viel verdient wie ein festangestellter Redakteur“, und dabei der stille Vorwurf der Gier durchschimmert, weil man es wagt, trotzdem ein höheres (angemessenes!) Honorar zu fordern, kann einem schon mal die berühmte Hutschnur platzen.

Allerdings steckt dahin wohl in den seltensten Fällen Geiz oder Missgunst, sondern vielmehr Unwissenheit. Deshalb an dieser Stelle eine kurze Notiz zur Aufklärung: Wenn ein freier Journalist „fast so viel verdient wie ein Redakteur“ heißt das noch lange nicht, dass bei ihm auch am Jahresende genauso viel übrig bleibt. Warum nicht? Weil wir Freien von den schlechten Dingen mehr und von den guten üblicherweise weniger bekommen als die festangestellten Kollegen. Wir müssen zum Beispiel meistens verzichten auf:

  • Das dreizehnte (und vierzehnte, so das irgendwo wirklich noch gezahlt wird) Monatsgehalt
  • Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
  • Kilometergeld
  • Vermögenswirksame Leistungen
  • Lohnerhöhungen bei Tarifanpassung (wobei darauf zunehmend auch die angestellten Kollegen leider verzichten müssen)
  • Soziale Absicherung, etwa vor Kündigung

 

Doch dafür – sozusagen als Ausgleich – bekommen wir:

  • den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung, den wir zu unserem Anteil gleich noch mit übernehmen dürfen (es sei denn, man ist KSK-versichert)
  • die Kosten für Büroausstattung und –unterhalt, Kommunikation und Technik
  • die Vorsorge für den Krankheitsfall, denn sind wir mal krank, fließt auch kein Geld
  • die Kosten für Versicherungen – zum Beispiel solche, die eine Insolvenz verhindern, wenn wir mal berufsbedingt in eine gerichtliche Auseinandersetzung verwickelt sind

 

Außerdem nicht zu vergessen: Wir können nur in Rechnung stellen, was wir auch wirklich erledigt haben. Oder wie ein Jurist mal sagte: „Arbeitnehmer schulden dem Arbeitgeber die Zeit, Freiberufler schulden das Werk.“ Für die Zeit, in der wir Rechnungen schreiben, unsere Buchhaltung machen, Kunden akquirieren, Aufträge besprechen oder Kontakte knüpfen, bezahlt uns niemand. Das ist auch nicht schlimm, das wussten wir, als wir uns entschieden, frei zu arbeiten. Aber bisweilen kann es anstrengend und nervig sein, sich verteidigen zu müssen für jeden Cent an Zeilen- oder Stundenhonorar, um den man kämpft. Liebe Kunden, liebe Kollegen: Freiberufler brauchen ein Vielfaches an Einkünften, um auf das Einkommen eines Festangestellten zu kommen, genau genommen müssen wir je nach Ausgaben einen Umsatz genieren, der ein Drittel bis 50 Prozent über dem Gehalt des Festangestellten liegt, um netto so viel zu haben wie der Festangestellte. Deshalb sind niedrige Zeilen- und Bildhonorare, wie sie gegenwärtig die Realität sind, ein Debakel. Und deshalb ist ein „Dann verdienen Sie ja fast so viel wie ein Redakteur“ ein Vergleich, der vor lauter Hinken kaum noch von der Stelle kommt.

 

Dieser Text erschien als Editorial in der aktuellen Ausgabe des „Blickpunkt“ – der Mitgliederzeitschrift der DJV-Landesverbände Thüringen und Hessen.


Ein Kommentar

Habe ich gewulfft?

„Wulffen“ ist eine dieser Wortneuschöpfungen, die wir Medienleute gerne erschaffen, um irgendetwas griffiger und kürzer zu machen (Jeder Anschlag muss (müsste?) bezahlt werden). In diesem Fall ist wahlweise das Verschleiern der Wahrheit das Anrufbeantworter-Volllabern oder die Vorteilsnahme im Amt gemeint. Im Falle von Christian Wulff also die Annahme von Rabatten und Geschenken, die er während seiner verschiedenen politische Stationen angenommen hatte – ohne darüber nachzudenken (und vor allem ohne darüber zu reden), dass das vielleicht seine Objektivität und seine Unabhängigkeit beeinflussen könnte.

Seit Wulff nicht mehr im Amt ist, stehen wir plötzlich alle selbst unter Wulffen-Verdacht. Es geht um die Presserabatte, die jahre- und jahrzehntelang überall lockten. Urlaubsflug? Gab es beim richtigen Anbieter für Journalisten billiger. Neues Auto? Gab es beim richtigen Anbieter für Journalisten billiger. Eintritt zur neuesten Ausstellung, zum schicksten Ausflugsziel, zum angesagtesten Konzert oder zum Fußballspiel des Lieblingsverein? Gab es beim richtigen Anbieter für Journalisten billiger oder sogar umsonst. Damit ist jetzt Schluss. Erst die Deutsche Bahn, dann Air Berlin und die Telekom verkündeten, dass Presserabatte nicht mehr zeitgemäß seien und man künftig darauf verzichten werde.

Unter Kollegen trat das eine Diskussion los, in der sich schnell zwei Lager bildeten: Die einen, die erleichtert aufseufzten ob der Entwicklungen, weil sie schon immer fanden, dass Presserabatte sich nicht mit dem öffentlichen Auftrag von Journalisten, ihrem Anspruch an Wahrhaftigkeit und Unbeeinflussbarkeit, vereinbaren lassen. Und auf der anderen Seite standen jene, die die Rabatte verteidigten, weil sie für die heute meist chronisch unterbezahlten freien (aber teils auch festangestellten) Kollegen die einzige Möglichkeit seien, finanziell über die Runden zu kommen. Presserabatte als eine Art Sozialschein, sozusagen.

Ich glaube, leider ist es nicht so einfach. Das ganze Desaster fängt doch schon bei der Definition an. Was ist denn ein Presserabatt? Wenn man es ganz streng nehmen würde, wäre auch die Theaterkarte, die der Kritiker der Lokalzeitung vom Theater kostenlos bekommt, ein Rabatt. Um Unabhängigkeit zu garantieren, müsste die Zeitung die Karte für ihren Mitarbeiter kaufen. Macht aber kein Mensch, und bisher hat sich auch noch kein mir bekannter Kritiker davon abhalten lassen, ein Stück zu verreißen, nur weil es die Karte umsonst gab.

Gibt es also „gute“ und „schlechte“ Presserabatte?
Sind die guten, die, die man nutzt, um seine Arbeit machen zu können, tolerabel, während die schlechten, also jene, bei denen man als Privatperson und in der Freizeit von diesen Rabatten profitiert, Teufelszeug? Oder zählen wir die Eintritsskarten zu Veranstaltungen wie Konzerten, Fußballspielen, Ausstellungen oder Theatervorstellungen gar nicht zu Presserabatten, sondern bündeln wir die unter dem Ettikett „Freier Zugang zur Information für Journalisten“ aus den Landespressegesetzen?

Wenn das so ist, was ist dann mit Rabatten auf Equipement? Gerade freie Journalisten, die nicht von einem Arbeitgeber ausgestattet werden, verlockt vielleicht die Kameraausrüstung oder der Laptop, die es mit Presserabatt zwischen 5 und 15 Prozent billiger gibt. Sind das nicht auch Hilfsmittel, um überhaupt arbeiten zu können? Ist es dann auch legitim, solche Rabatte anzunehmen? Sind es überhaupt Rabatte?

Wenn sie es sind, und wenn sie zu den bösen Rabatten gehören – zu jenen, deren Nutzung uns zu wulffern macht, dann habe ich auch gewulfft. Zweimal. Beim ersten Mal war ich Anfang 20, Studentin, Praktikantin, freie Minijobberin, und was soll ich sagen: Ich war jung und brauchte das G…. Fünf Monate freie Mitarbeit hatte es mich gekostet, mir mühsam die erste digitale Spiegelreflexkamera vom Munde abzusparen. Jede Kröte, die sich sparen ließ, musste gespart werden. Und so habe ich schließlich eine Kamera gekauft, die ich mit 15 Prozent Nachlass bekam. Einfach weil die Bestellerin Journalistin war. Natürlich, ich hätte auch einfach noch einen 6. Monat sparen und sie mir dann zum vollen Preis leisten können. Aber erstens war Geduld schon damals nicht meine Stärke und zweitens sah ich in meinem Vorgehen nichts ehrenrühriges. Das zweite Mal war die Journalisten-Bahncard, die diese Diskussion erst losgetreten hat. Auch die ist vor allem für dienstliche Fahrten, jene im DJV, angeschafft worden und – soviel zu Transparenz und Offenheit – auch vom Verband bezahlt worden.

Meine Regel zu diesem Thema waren von Anfang an ziemlich einfach: Aus dem Beruf keinen Nutzen fürs Private ziehen. Ich hatte Lust auf einen Besuch auf dem Baumkronenpfad, musste oder wollte aber nicht darüber berichten? Dann habe ich natürlich voll bezahlt. Ich brauchte eine vernünftige Digitalkamera, ohne die ich vom Lokalblatt keine Aufträge bekommen hätte? Warum nicht jede Chance zum Sparen nutzen? Weder bei Kamera noch bei Bahncard sah ich mich im Konflikt, obwohl ich mit erster natürlich auch Familienfotos gemacht und mit letzterer selbstredend auch mal privat gefahren bin.

Heute bin ich rat-, plan- und ein bisschen meinungslos, was vor allem daran liegt, dass mir nicht so recht klar ist, wie man Presserabatte nun definiert, wo man die Grenzen zieht zwischen notwendiger Arbeitsunterstützung und beeinflussendem Rabatt. Sicher, nach Kamera und Bahncard habe ich nie wieder einen Rabatt genutzt. Aber liegt dem wirklich mein berufliches Ehrgefühl zugrunde oder nicht viel mehr die Tatsache, dass sich einfach kein gutes Angebot mehr ergeben hat, wenn ich eines brauchte? Daran, dass die technische Ausstattung heute mit den normalen Ladenrabatten nach dem Augen-Klimpern-Lächeln-und-Verhandlen-Programm oft viel billiger zu huaben ist als mit jedem Presserabatt vom Händler?

Ich wünschte, ich könnte sagen, ich hätte mich eindeutig dagegen entschieden, Rabatte anzunehmen. Am besten aller Art, um mich gar nicht erst in Definitionsdiskussionen zu verstricken. Ob mich diese beiten Rabatte im Zweifel – also bei einer Berichterstattung über das jeweilige Unternehmen – wirklich korrumpieren würden, kann ich nicht sagen. Aber ich kann es eben auch nicht 100-prozentig ausschließen, und das allein ist schon Grund genug, künftig keine Rabatte mehr anzunehmen, die es nur gibt, weil ich Journalistin bin. Paybackpunkte sammeln, sollte doch unschädlich sein (ja ja, bis auf die Sache mit dem gläsernen Kunden, aber hey, ich bin bei Facebook und bei google angemeldet…).

Für die Vergangenheit bleibt mir nur wie vielen Kollegen die reuige Einsicht: Hin und wieder mal gründlich vor der eigenen Tür gekehrt, hätte verhindert, dass man vor lauter „Haben-wir-schon-immer-so-gemacht“-Staub den richtigen Weg nicht mehr sieht.

Deshalb also: Ja, ich habe gewulfft, aber ich tue es nicht wieder. Denn: Als Freie brauche ich zwar immer noch das Geld, bin aber nicht mehr so jung, um die Unerfahrenheit im Beruf als Entschuldigung ins Feld zu führen.