Bei der Recherche zu einer Geschichte über Presserabatte stieß ich immer wieder auf die unterschiedlichen Sichtweisen von festangestellten Journalisten und freien. Einige Freie gaben an, dass Rabatte ihnen hin und wieder geholfen hätten, ihre Arbeit als Beruf ausüben zu können und nicht nur als Berufung, die außer einem guten Gefühl nichts einbringt. Wirklich verwunderlich ist, dass diese Aussagen bei Kunden immer wieder auf Unverständnis stoßen – egal ob es sich dabei um mittelständische PR-Auftraggeber oder große Tageszeitungen handelt. Wenn ein freier Journalist mit einigen Jahren Berufserfahrung, Volontariat und Studium sich bei Honorarverhandlungen anhören muss, dass er ja nun „fast so viel verdient wie ein festangestellter Redakteur“, und dabei der stille Vorwurf der Gier durchschimmert, weil man es wagt, trotzdem ein höheres (angemessenes!) Honorar zu fordern, kann einem schon mal die berühmte Hutschnur platzen.
Allerdings steckt dahin wohl in den seltensten Fällen Geiz oder Missgunst, sondern vielmehr Unwissenheit. Deshalb an dieser Stelle eine kurze Notiz zur Aufklärung: Wenn ein freier Journalist „fast so viel verdient wie ein Redakteur“ heißt das noch lange nicht, dass bei ihm auch am Jahresende genauso viel übrig bleibt. Warum nicht? Weil wir Freien von den schlechten Dingen mehr und von den guten üblicherweise weniger bekommen als die festangestellten Kollegen. Wir müssen zum Beispiel meistens verzichten auf:
- Das dreizehnte (und vierzehnte, so das irgendwo wirklich noch gezahlt wird) Monatsgehalt
- Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
- Kilometergeld
- Vermögenswirksame Leistungen
- Lohnerhöhungen bei Tarifanpassung (wobei darauf zunehmend auch die angestellten Kollegen leider verzichten müssen)
- Soziale Absicherung, etwa vor Kündigung
Doch dafür – sozusagen als Ausgleich – bekommen wir:
- den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung, den wir zu unserem Anteil gleich noch mit übernehmen dürfen (es sei denn, man ist KSK-versichert)
- die Kosten für Büroausstattung und –unterhalt, Kommunikation und Technik
- die Vorsorge für den Krankheitsfall, denn sind wir mal krank, fließt auch kein Geld
- die Kosten für Versicherungen – zum Beispiel solche, die eine Insolvenz verhindern, wenn wir mal berufsbedingt in eine gerichtliche Auseinandersetzung verwickelt sind
Außerdem nicht zu vergessen: Wir können nur in Rechnung stellen, was wir auch wirklich erledigt haben. Oder wie ein Jurist mal sagte: „Arbeitnehmer schulden dem Arbeitgeber die Zeit, Freiberufler schulden das Werk.“ Für die Zeit, in der wir Rechnungen schreiben, unsere Buchhaltung machen, Kunden akquirieren, Aufträge besprechen oder Kontakte knüpfen, bezahlt uns niemand. Das ist auch nicht schlimm, das wussten wir, als wir uns entschieden, frei zu arbeiten. Aber bisweilen kann es anstrengend und nervig sein, sich verteidigen zu müssen für jeden Cent an Zeilen- oder Stundenhonorar, um den man kämpft. Liebe Kunden, liebe Kollegen: Freiberufler brauchen ein Vielfaches an Einkünften, um auf das Einkommen eines Festangestellten zu kommen, genau genommen müssen wir je nach Ausgaben einen Umsatz genieren, der ein Drittel bis 50 Prozent über dem Gehalt des Festangestellten liegt, um netto so viel zu haben wie der Festangestellte. Deshalb sind niedrige Zeilen- und Bildhonorare, wie sie gegenwärtig die Realität sind, ein Debakel. Und deshalb ist ein „Dann verdienen Sie ja fast so viel wie ein Redakteur“ ein Vergleich, der vor lauter Hinken kaum noch von der Stelle kommt.
Dieser Text erschien als Editorial in der aktuellen Ausgabe des „Blickpunkt“ – der Mitgliederzeitschrift der DJV-Landesverbände Thüringen und Hessen.